Getragen durch die Glaubenskrise. 5 Bücher für einen lebendigen, gesunden Glauben.

Die Dekonstruktion als solches ist zum Warn-Wort unserer Zeit geworden: Vorsicht vor den Tücken der Menschen, die deinen Glauben durch eine Häckselmaschine pressen wollen! Gleichzeitig erleben Christen in der heutigen Gesellschaft große Diskrepanzen, sind neu herausgefordert, Standpunkte zu vertreten und müssen sich selbst mit den Wellen von Leid, Krankheit, Tod, Ungerechtigkeit und Zwiespalt auseinandersetzen. Ein Beitrag von Rebecca Krämer.

Wo ist die Gnade und das Auffangbecken derer, die sich nicht an das halten können, was sie einst in der Sonntagschule auswendig gelernt haben?

Welche Räume tun sich auf, wenn der Einzelne zweifelt, sein Glaubensgebäude ausmisten muss von alten verstaubten Sätzen?

Und wie können andere Christen zum Halt derer werden, die sich nicht von Gott, jedoch vom eigenen rosaroten Seifenblasen-Glauben lösen müssen?

Ich persönlich bin der Überzeugung, dass wir Aufklärungsarbeit leisten müssen, wenn die Schuhe zu klein geworden sind und der gelebte Glaube nur noch ein schmerzhaftes Laufen mit wunden Blasen ist. Und dass es Angebote geben muss, die das Leiden und die Fragen der Menschen zulässt und sie an die Hand nimmt, damit sie durchgetragen werden und am anderen Ende sowohl ihre psychische Gesundheit als auch der Glaube an Jesus Christus bestehen bleibt.

Dieser Beitrag soll dazu dienen, so einen Ort in verschiedenen Büchern zu finden – Bücher, die sich mit Fragen auseinandersetzen, die dem inneren Schmerz selbst Ausdruck verleihen; die Verstehen ausdrücken, die aber auch Gottes Nähe in der Verzweiflung suchen und vor potenziellen Gefahren auf dem Weg warnen.

Lass dich hineinfallen in die Worte der Menschen, die sich auf ihre authentische Reise mit Gott eingelassen haben und die, den Blick immer wieder nach oben gerichtet, ehrlich anklagend, suchend, findend und hoffnungsvoll trauernd, bis heute nicht aufgegeben haben.

Wenn der Glaube nicht mehr passt – Martin Benz



Martin Benz schreibt dieses «Umzugshelferbuch». Er sagt: «Ich möchte vorwärts glauben, in die Zukunft glauben und mit meinem Glauben leidenschaftlich alt werden. Ich möchte nicht akzeptieren, dass Teile meines Glaubens immer irrelevanter werden und mit meinem Alltag wenig zu tun haben. Meine Lebensrealität muss in meinem Glauben ein Zuhause finden und nicht von ihm wegdriften.»

Benz bringt es auf den Punkt. Glaube wächst mit – mit den Herausforderungen und Umschwüngen des Lebens. Und das ist gut und wichtig. Seine hoffnungsvoll positiven Gedanken stecken an. Benz sieht im Glaubensumzug das Potential der neuen Gestaltungskraft: «Wer wieder Freude am eigenen Glauben empfindet, der ist nur einen kleinen Schritt davon entfernt, auch andere ganz neu zu diesem Glauben einzuladen.» 

Alle, die sich glaubensmüde fühlen und bei denen die innere Spannung zu groß geworden ist, bei denen Lebens- und Glaubensrealität zu weit auseinanderklafft, lädt Benz ein, an die Wurzel zu gehen und Glaube und Biografie wieder zusammenzubringen. Durch den Zerbruch seiner Ehe hat Benz erlebt, wie eine barmherzige Kirche aussehen kann und wie Gott nicht im eigenen Scheitern stehenbleibt, sondern Frieden geben kann auch ohne Befriedigung unseres Verstehens. Benz ermutigt, zu einem Glauben zu finden, der sich mit dem eigenen Leben versöhnt.

Hierzu gibt er praktische Orientierungshilfen zum Thema «Bibelverständnis» und klärt auf über «Bibeltreue». Benz möchte «für ein Bibelverständnis werben, das die Möglichkeit eröffnet, biblische Texte zutiefst ernst zu nehmen und doch Spielraum in der Auslegung dieser Texte zulässt». Außerdem geht er darauf ein, dass wir uns als Christen mehr mit ethischen Prinzipien auseinandersetzen müssen – mit dem Grund, warum wir etwas tun oder nicht tun sollen.

In einem letzten Teil des Buchs geht es um 7 konkrete Schritte, die man im Prozess der Veränderung beachten sollte, damit sich Glaube gesund weiter entwickeln kann. Hierbei ist mir vor allem wichtig geworden, Reisegefährten zu haben, die ähnliche Fragen erlebt haben, die einen dennoch auch bremsen können, wo man übers Ziel hinauszuschießen droht.

Da habe ich dich getragen – Konstanze von der Pahlen (Hrsg.)

Da habe ich dich getragen

Oft spiegeln sich unsere Empfindungen in Geschichten anderer wider. Man kann kaum tiefer verstanden werden, als in dem, Ähnliches erlebt zu haben. Dieses Verstehen wird in «Da habe ich dich getragen» zu einem äußerst guttuenden Feature.

Ganz unterschiedliche Menschen aus verschiedenen Lebenssituationen erzählen Erlebnisse und bleiben nicht nur an der Oberfläche haften: Ihre Krisen, Schicksalsschläge, Erschütterungen und Tiefpunkte werden ohne Verzierungen benannt. Ehrliches Hadern kann erfrischend sein und neue Türen im Glaubensleben öffnen. Und selten ist die Lösung vorhersehbar, jedoch immer anders gut.

Die kurzen Kapitel lehnen sich an das berühmte Gedicht «Spuren im Sand» von Margaret Fishback Powers an. Das Gedicht drückt aus, dass in den Zeiten der Einsamkeit und Verlassenheit Gott an Ort und Stelle war – auch, wenn es sich anders anfühlt.

Es kann sein, dass Gottes Spuren in unserem Leben auf den ersten Blick nicht zu entdecken sind, vor allem in den schwerwiegenden Zeiten. Eine Stärke des Sammelbands empfinde ich, gerade dieser Verlassenheit Ausdruck zu verleihen. Unser Glaubensleben darf auch Zeiten der Anklage enthalten, vergleichbar mit den Inhalten der Psalmen in der Bibel.

Gott kann aus tiefen Verletzungen eine Geschichte schreiben, die in unserer jetzigen Verfassung noch nicht sichtbar ist – jedoch dürfen wir warten und sehen, dass er auf seine Weise eingreift. Und uns bis dahin erlauben, ganz ehrlich vor ihn zu kommen. Hierfür können die Lebensgeschichten aus «Da habe ich dich getragen» helfen! Das Buch soll Trost und Ermutigung sein, in der Krise darauf vertrauen zu dürfen, dass Gott einen nicht verlässt & uns im Letzten nicht aus dem Blick verliert.

Glaube fällt [nicht] vom Himmel – Björn Büchert, Katharina Haubold, Jan Schickle (Hg.)

 

Glaube hat viel mit der eigenen Biografie zu tun. Wir sind geprägt von unserer Familie, von den Werten und dem Raum, wie Christsein gelebt oder nicht gelebt wurde. Menschen deuten aufgrund ihrer Herkunft die Bibel und ihre Lebensgeschichte unterschiedlich. Die Entdeckungsreise des eigenen Glaubens beginnt deshalb in der eigenen Biografie, da sie unzertrennlich verwoben ist mit unseren theologischen Überzeugungen.

Dieses Buch soll animieren, Glauben zusammen mit der eigenen Biografie besser verstehen zu lernen. Es ist ein kreativ gestaltetes Workbook, das nicht zwingend von vorne nach hinten gelesen werden muss. «Glaube fällt [nicht] vom Himmel» gibt Tools an die Hand, die helfen, Glaube zu reflektieren und neue Formen auszuprobieren. Dies kann in einer Gruppe oder allein passieren. Alle Vorlagen werden auch zum Download angeboten.

Jede Tour-Einheit beginnt mit einer persönlichen Erfahrungsgeschichte verschiedener Personen, die an der Herausgabe des Buchs beteiligt waren – gefolgt von einem Theorie-Teil, der Themen wie die Phasen der Dekonstruktion, Gottesbilder, unterschiedliche Frömmigkeitsbedürfnisse etc. beleuchtet. Weiter folgen Übungen zu Glaubensgesprächen, Reflexionsfragen, Cartoons und Vorlagen, um die eigenen Überzeugungen kreativ zu überprüfen und eigene Schlüsse daraus zu ziehen.

Die Stärke des Buchs sehe ich in der Verbindung der verschiedenen Einheiten durch gelebtes Christsein von Menschen, die auf ihrer Reise an unterschiedliche Weggabelungen kamen und ihren Weg mit Gott gefunden haben. Durch die Nähe und den Bezug zu realen Lebenssituationen gewinnt das Buch einen schönen Geschmack der authentischen Glaubenssuche.

Das Buch unterscheidet sich zu den anderen erwähnten Büchern dadurch, dass es keine Krise benötigt, um seinen Glauben zu reflektieren. Jeder kann sich damit auseinandersetzen, wie der eigene Glaube erwachsen und reif wird.

Doch auch in der Krise gibt das Buch Hoffnung, denn es bleibt nicht in der Sehnsucht nach Veränderung stecken. Hier werden ganz praktisch Tools angeboten, die einen voranbringen und zu neu bzw. bewusst gelebter Spiritualität anregen.

Für jeden, der sich aufmachen möchte, die eigene Prägung nicht als «in Stein gemeiselt» oder als ein «zu überwindender Endgegner» zu sehen, sondern als ein Verbindungsstück zu einem gesunden, reflektierten, lebendigen Glauben, der sich weiter entwickeln darf.

Ankern. – Alisa Childers



Hinterfragen des Glaubens und des Inhalts der Bibel sind oft nicht aufzuhalten, und doch muss man sich im Klaren sein, welche Grundlagen, die dem Glaubenshaus eine gute Stabilität gegeben haben, dadurch auch verloren gehen können. Childers Buch «Ankern» gibt Leitplanken, um auf dem Weg nicht abzudriften.

Alisa Childers ist bekannt dafür, den Dekonstruktions-Tücken auf die Schliche zu kommen. Im Buch sind Warnsignale in Bezug auf die Umdeutung des eigenen Glaubens aufgezählt, verwoben mit der persönlichen Geschichte von Childers. Sie kennt den Ozean an Zweifeln, die am Glaubensfundament reißen können. Ihr Buch soll ein Rettungsboot sein für alle, die von Social-Media-Wellen fortgespült werden oder Heuchelei und Frustration in Gemeinde erfahren haben.

Childers Glaubenskrise wird von einem progressiven christlichen Pastor angestoßen, dessen Kurs sie besucht. Er bezeichnet sich als «hoffnungsvoller Agnostiker». Childers erkennt, dass es ihr nicht gut tut, sich aufgrund von Zweifel auf gänzlich neue Theorien zu stürzen. Ihr Glaube bezeichnet sie bis zu diesem Zeitpunkt als intellektuell schwach und unerprobt. Durch ihr Eigen-Studium zu Apologetik und Theologie ordnet Gott für sie die Bruchstücke allmählich neu und bringt altbekanntes Gedankengut in seine richtigen Bahnen zurück.

Sie schreibt: «Ich wollte Fortschritte in meinem Glauben … in meinem Verständnis des Wortes Gottes, meiner Fähigkeit, es auszuleben, und in meiner Beziehung zu Jesus. Aber ich wollte keinen Fortschritt über die Wahrheit hinaus.» (S.38)

Childers begründet ihren Anker im historischen Christentum – das, was schon jahrhundertelang weitergegeben wird und sich immer wieder bestätigt hat. Für sie bleiben progressive Christen in Verletzungen stecken, für die sie die historisch christliche Lehre verantwortlich machen.

Childers gibt Antworten auf die Fragen:

  • Warum ist progressives Christentum attraktiv?
  • Was glauben progressive Christen eigentlich?
  • Welches Bibelverständnis liegt zugrunde?

Auch wenn ich mich frage, ob es überhaupt DIE Progressiven gibt, kann man sicherlich ähnliche Tendenzen und Lehren entdecken, die vermehrt auftauchen.

Ich habe von dem Buch erwartet, dass es nicht nur Warnung ist, sondern auch eine Anleitung zum Rekonstruieren. Dieser Anteil kommt mir etwas zu kurz. Wenn doch die Hauptproblematik derer, die dekonstruieren, darin liegt, dass Schmerz vorhanden ist – ist es dann nicht notwendig, die Wunden zu heilen? Childers Ansatz der Heilung liegt in der klaren Lehre, was sicherlich nicht falsch ist – mir jedoch zu kurz greift. Eine nächste Frage tut sich mir auf: Was bedeutet Nächstenliebe im Leid, wenn es nicht auf der Veränderung der inhaltlichen Einstellung basiert? Wie teilen wir Pflaster aus?

Eine Stärke des Buchs ist die Betonung der Kostbarkeit, die im Evangelium und im Schatz der Erlösung liegt. Childers weiß: Man kann etwas sehr Bedeutsames verlieren, weshalb man die Glaubensreise nicht leichtfertig begehen sollte. Deshalb setzt sie sich mit ganzer Kraft dafür ein, die Einheit in den Glaubenssätzen, die zur Heilsgewissheit dazugehören, zu bewahren und zu verteidigen. 

Warum ich trotzdem glaube – Stephan Lange (Hg.)



Das Buch hat es in sich und beschreibt Geschichten, in denen das Leben hart auf hart kommt: Von Krebs, dem Verlust an Kindern und Unfällen. Vertrauen zu Gott kann durch Schicksalsschläge massiv erschüttert werden. «Ich verstehe Gott und Gottes Wege nicht.»

Welche Antworten gibt es in großer Not? Und wie kann Glaube im Angesicht des Todes noch überleben? Habe ich einen Anspruch auf das «Warum»? Sollten wir Gott nicht eiskalt den Rücken kehren?

In «Warum ich trotzdem glaube» kommen acht Christinnen und Christen zu Wort, die in ihrem Leid Gottes Gegenwart suchen und an der Hoffnung festhalten wollen. Alle haben ein neues Bewusstsein davon entwickelt, dass das Leben sehr zerbrechlich ist. Sie beschreiben ihr Empfinden, die Abgründe, die Kraft durch den Glauben und die Bedeutung der Unterstützung von Freunden und Familie inmitten von Leid. Es kommt zum Ausdruck, welch tiefe Schmerzen sie fühlen und durch die Konfrontation mit diesen dennoch eine ganz andere Tiefe der Liebe Gottes erfahren – ist diese doch entwachsen aus Ehrlichkeit und Ringen mit Gott.

«Der christliche Glaube flieht nicht vor der Realität des Lebens, er entfaltet seine Stärke und sein Potenzial mitten im Leben.» – Mihamm Kim-Rauchholz

Eine Schönheit des Buches birgt sich darin, wie die Ewigkeit beschrieben wird. Auch wenn Vieles der eigenen Vorstellung überlassen ist, stellt das Leben nach dem Tod einen echten Hoffnungsträger dar. Das Glück auf der Erde wird zweitrangig, ja als vergängliches Nicht-Eigentum angesehen. Die Autoren und Autorinnen lernen, das Leben ganz aus Gottes Hand zu nehmen.

Was mich zudem erstaunt? Es schwappt ein Friede über, der sich in einer Gelassenheit der Unberechenbarkeit Gottes, in der Weite, Höhe und Tiefe unseres Gottes spiegelt. Echtes Leid hat Platz im Glauben und kann integriert werden – genau das ist die hoffnungsvolle Botschaft! Wer festhält, indem er seinem eigenen Herzen Platz schafft, der verliert zwar sein Leben, aber nicht seinen Glauben. Und das ist es, was zählt!

Fazit

Das Lesen der Bücher hat mich vor allem eines gemacht: reicher. Ich habe zusammengefasst folgende sieben Erkenntnisse gewonnen:

  • Der christliche Glaube ist dynamisch und darf sich mit den Lebenserfahrungen verändern.
  • Der Glaube muss nicht blind folgen. Die Suche nach klaren Antworten ist legitim. Im Prozess liegen Gestaltungskraft & Versöhnung.
  • In der Bibel und im eigenen Leben ist viel Platz für Zweifel, Klage & ein Ringen mit Gott. Die Unsicherheit ist aushaltbar durch die Sicherheit eines Gottes, der sich uns gegenüber nicht verändert.
  • Wer einen vitalen Glauben behalten möchte, kommt oft nicht um die Öffnung der eigenen Sichtweise herum.
  • Im Reflektieren des eigenen Glaubens und der eigenen Prägung liegt Gesundheit und Reife.
  • Der Glaubensumzug braucht Leitplanken, gute Führung und liebevoll begleitende Hände.
  • Leid & Glaube widersprechen sich nicht, sondern können einen Weg miteinander finden.

Ich hoffe und wünsche mir, dass diese und weitere Bücher dein Glaubensleben bereichern werden. Auf dass es unseren Glauben an Jesus Christus tiefer, gründlicher und echter werden lässt! Auf dass wir gute Weggefährten für unsere Glaubens-Geschwister werden! Auf dass wir an der Liebe zu ihm festhalten, falsche Prägungen und Illusionen loslassen, und er uns zeigt, wie gnädig, gut und perfekt seine Wege für jeden von uns sind.

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